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LÄSST SICH DIE VERPACKUNG ÖFFNEN ODER BRAUCHT ES EINE SCHERE?

November 2023

Dirk Schönrock

Radio SRF1 Trick77 zum Thema Verpackungen
Konsumenten über Verpackungen seriös aufklären

Am 7. November besuchte Radio SRF1 die Bigler AG Fleischwaren in Büren an der Aare. Im Rahmen der Sendung «Trick77» befasste sich SRF1 an diesem Tag mit dem Thema «Verpackungen». Vier Branchenexperten kamen zu Wort und für einmal verzichteten SRG-Journalisten auf das übliche «Verpackungs-bashing».

Link zur Sendung

LÄSST SICH DIE VERPACKUNG ÖFFNEN ODER BRAUCHT ES EINE SCHERE?

Verpackungen, die sich nur mit Mühe öffnen lassen, sind ein Ärgernis. Wer hat nur diese Verpackung entwickelt? Diese Frage schiesst einem durch den Kopf, wenn eingeschweisstes Fleisch nicht aus dem Plastik will oder wenn Teigwaren aus der geöffneten Packung auf den Küchenboden rieseln. Das waren die Kernfragen des SRF Moderators Krispin Zimmermann im ersten Telefonat mit dem SVI Geschäftsführer Andreas Zopfi. Auf Initiative des SVI konnte die Live-Sendung beim SVI Mitglied Bigler AG Fleischverpackungen in Büren a. A durchgeführt werden. Eine grossartige Gelegenheit das Thema Verpackung konsumentengerecht darzustellen und zu informieren. Als Einleitung zum Thema sprach Radio SRF1 mit Marcel Pfeiffer, Verpackungsentwickler und Key-Account-Manager bei der Bachmann Forming AG mit Sitz in Hochdorf LU. Pfeiffer erläuterte, dass Verpackungen üblicherweise gemeinsame Entwicklungen zwischen dem Produkt- und Verpackungshersteller sind, gelegentlich auch unter Einbeziehung des Detailhandels. Bachmann Forming stellt beispielsweise das Tray der Toffifee-Verpackungen aus einer tiefgezogenen Kunststofffolie her. Bei Verpackungskunststoffen befindet sich die Verpackungswelt momentan in einem extremen Wandel. Verpackungskunststoffe müssen recyclingfähig gemacht werden. Dazu werden vor allem kreislauffähige Monomaterialien verwendet. Da in der Vergangenheit die meisten Verpackung nur für einen Anwendungsfall, nämlich das jeweilige Produkt zu schützen, entwickelt wurden, bedeutet dies einen hohen Aufwand für die zukünftige Verpackungsentwicklung. Dabei besteht beim Trend zu Papierverpackungen ein Zielkonflikt, denn Papier verkürzt in der Regel die Haltbarkeit und erhöht damit den Food Waste. Eine Standardlösung für alle Produkte gibt es nicht, jedes Produkt muss separat betrachtet werden und es müssen viele mögliche Probleme bedacht werden. Bei Toffifee würde beispielsweise das Karamell bei einer Papierverpackung am Papier kleben bleiben. Aktuell gibt es bei Bachmann Forming viele spannende Projekte, um Kunststoff in der Verpackung auf ein Minimum zu reduzieren und dabei dennoch alle Kundenanforderungen zu erfüllen. Einige Lösungen befinden sich bereits in den Läden. Der Fabrikbesuch bei der Bigler AG Fleischwaren startete in der Produktionsabteilung. Markus Bigler, CEO des Familienbetriebs, erklärte die Abläufe in der Produktion. Hergestellt werden Fleischwarenverpackungen für Frischfleisch für die Selbstbedienungstheken im Detailhandel. Dafür kommen Verpackungen aus Kunststoff zum Einsatz. Moderne Fleischwarenverpackungen dieser Art sind seit Ende der 1960er Jahre auf dem Markt, vor allem, um die Fleischwaren länger haltbar zu machen. Grossmehrheitlich lassen sich die SB-Verpackungen gut öffnen. Bei einzelnen Produkten ist das Öffnen komplizierter, beispielsweise bei Spiessen. Dies liegt an der Verpackungsart und auch am Produkt. Das Unternehmen versucht ständig, die Verpackungen zu optimieren, beispielsweise durch integrierte Aufreisshilfen oder vereinfachte Öffnungsmechanismen. All dies ist unter anderem auch abhängig vom Maschinenpark und den Maschineneinstellungen. Generell sieht Bigler Verpackungen als ein extrem wichtiger Teil des Produkts, der den Inhalt schützen sowie für Sicherheit und Haltbarkeit sorgen muss. Urs Rufer ist Verpackungstechniker bei der Bigler AG Fleischwaren und damit unter anderem auch zuständig für die Entscheidung, wie eine neu entwickelte Verpackung geöffnet werden soll. Er demonstrierte einen innovativen Öffnungsmechanismus bei einer Salami-Verpackung, die bereits einen Swiss Packaging Award und einen World Packaging Award gewonnen hat. Dabei wird eine Fleischwarenverpackung an einer Peel-Lasche in der Oberfolie aufgerissen. Sie lässt sich später mit der Oberfolie auch wieder verschliessen. Verpackungsentwickler Rufer hat eine technische Grundausbildung und kam über Umwege zur Verpackung. Aktuell absolviert er die Ausbildung zum Packaging Manager beim Schweizerischen Verpackungsinstitut SVI. Im Allgemeinen ist die Verpackungsentwicklung immer ein Teamwork von Verpackungshersteller, Maschinen- und Anwendungstechniker, Produzenten, Verarbeiter sowie von Marketing und Design. Bevor eine Verpackung auf den Markt kommt, wird sie durch eigene und ggf. auch fremde Prüfungen getestet. Als wichtigste Funktion muss der Produktschutz für das Füllgut sichergestellt sein sowie auch die Mikrobiologie für die Mindesthaltbarkeit sowie Sicherheitsaspekte im Transport. Generell sei es für einen Endkonsumenten schwierig, sich vorzustellen, welche enorme Arbeit hinter einer Verpackung steckt, sagt Rufer. Manche Arten von Produkten erfordern starke Verpackungen, die sich ggf. nur durch Schere oder Messer öffnen lassen. Natürlich muss dies entsprechend gekennzeichnet werden. Über die Schweiz als Player im Verpackungs-Business wurde Andreas Zopfi, Geschäftsführer des Schweizerischen Verpackungsinstituts SVI, befragt. Zum Kern der Verpackungswirtschaft in der Schweiz zählen gut 200 Unternehmen, die zusammen rund 20.000 Personen beschäftigen und einen Umsatz von rund 6,5 Mrd. Franken generieren. Bezüglich weit verbreiteter Kritik am Öffnungsverhalten einzelner Verpackungen stellte Zopfi fest, dass es in der Schweiz generell keine schlechten Verpackungen gibt, jedoch sehr preisgünstige Verpackungen meist auch aus günstigeren Materialien mit weniger gutem Öffnungsverhalten bestehen. «Verpackungen sind ein Rappengeschäft und unsere Branche bewegt sich immer in Richtung Konsumenten.» Verbraucher sollten sich mit ihren Beschwerden jedoch nicht an den Verband wenden, sondern an den Detailhandel oder den Produkthersteller. «Es gibt zahllose Verpackungserfindungen aus der Schweiz und Verpackungen sind Hightech made in Switzerland. Leider sieht dies der Konsument nicht immer», sagte Zopfi. In der Schweiz wird seitens des Gesetzgebers viel von Verpackungen verlangt. Verpackungen sind in hohem Masse geregelt und sind daher absolute Spitzenklasse. Kulturell sind in der Schweiz auch verschiedene Verpackungsarten verbreitet: Beispielsweise wird Mayonnaise in der Deutschschweiz traditionell in Tuben und in der Westschweiz in Gläsern angeboten. Zum Thema Kunststoffverpackungen sagte Zopfi, dass es in der Schweiz im Grunde kein Kunststoffproblem gibt, da die Entsorgungswege klar geregelt sind und bestens funktionieren. Dagegen sei der allgemeine Fachkräftemangel ein echtes Problem für die Branche. In deren Auftrag bildet der Verband Fachleute aus und weiter. Und der Verband kümmert sich auch stets um das Thema Nachhaltigkeit. Abschliessend kam nochmals Urs Rufer zu Wort. Rufer erläuterte kurz die Entwicklung der Fleischverpackung. Zunächst existierte nur einfaches Papier zum Einwickeln und unmittelbaren Konsumieren des Produkts. Später konnte Fleisch durch eine Schale aus Kunststoff und einer Deckelfolie vakuumiert und damit länger haltbar gemacht werden. Dies waren meist einfache Verpackungen mit dickem und massiv mehr Kunststoff als dies heute der Fall ist. Heute sind die Wanddicken der Schale und der Deckelfolie auf ein Minimum optimiert und sehr viel dünner als früher. Kunststoff verfügt dabei über die besten Eigenschaften für die Verpackung von Fleisch: Das Material bietet Schutz und Haltbarkeit mit einer hohen Barriere, ist formstabil in geringen Wandstärken und lässt sich gut transportieren. Kunststoff ist insofern auch nachhaltig, da Material und Aufwand für die Verpackung im Vergleich zum Füllgut kaum ins Gewicht fällt. Rufer ist überzeugt, dass es in Zukunft noch ganz andere Verpackungen geben wird. Momentan spricht der Konsument aus einem subjektiven Empfinden heraus auf Papier an. Dies kann sich jedoch auch wieder ändern. Ziel ist es, kreislauffähige Verpackungen aus Monomaterial mit den gleichen Eigenschaften wie Hightech-Kunststoffverbunde herzustellen.
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