FSC – EIN NEUES BÜROKRATIEMONSTER
März 2023
Dirk Schönrock
Für alle, die in der Schweiz mit Produkten aus der Waldwirtschaft arbeiten, ist das Label «FSC» praktisch unabdingbar. Auch in unserer Verpackungsindustrie müssen sich im Grunde alle Unternehmen einer Zertifizierung durch den «Forest Stewardship Council» unterwerfen. Hintergrund sind die Forderungen des Detailhandels, der – zumindest für einheimische Produkte – nur Verpackungen aus zertifizierten Rohstoffen in seinen Verkaufsregalen zulässt. FSC ist eine Stiftung, die 1993 in Brasilien gegründet wurde, um die Abholzung im Amazonas-Delta zu bekämpfen und ist heute ein globaler Standard für die nachhaltige Forstwirtschaft. Zwar ist mittlerweile bekannt, dass das FSC-Siegel in bestimmten Gebieten keine positiven ökologischen Effekte auf die Waldbewirtschaftung hat, doch ist trotz aller Unzulänglichkeiten, das FSC-Siegel das umfassendste Label, welches es derzeit international gibt.
Seit kurzem ist die Organisation FSC selbst massiv in die Kritik von jenen geraten, die sich dem Zertifizierungsprozess unterwerfen müssen. Namentlich Karton- und Wellkartonverarbeiter in der Schweiz beklagen, dass der FSC mittlerweile weit über sein ursprüngliches Ziel hinausschiesst: «Der Aufgabenbereich für den FSC beinhalte nicht die politischen, sozialen und ethischen Angelegenheiten, dessen Normen werden vom Bund und den Gesetzgebungen der «westlichen» Länder vorgegeben und überwacht. Dies dürfte und sollte nicht zusätzlich von einer FSC-Organisation bearbeitet werden und schiesst über das zu erreichende Ziel hinaus», sagt Tobias Leischner, Geschäftsführer der Bourquin SA mit Sitz in Oensingen und Vorstandsmitglied des SVI. «Hat der FSC noch seinen ursprünglichen Sinn», fragt sich auch Andreas Keller, Inhaber und Geschäftsführer der Pawi AG mit Sitz in Winterthur, denn «früher ging es dabei um Tropenhölzer, aber die sind schon lange kein Thema mehr in Mitteleuropa». Dr. Andreas Hitzler, Geschäftsführer der Läser AG mit Sitz in Gontenschwil, geht noch einen Schritt weiter: «Für Kartonqualitäten mit integrierter Zellstoffproduktion aus Europa ist das FSC-Label nur noch ein nice-to-have, da hierzulande kein Raubbau an der Natur durch unkontrollierte Abholzung erfolgt.» Andreas Diete von der SWISS PAC AG meint: «Hätten die Grossverteiler und grossen Endkunden, welche sich mit kleinen Aufwand mit dem FSC-Label schmücken, den gleich grossen und immer grösser werdenden Aufwand bezüglich der Zertifizierung, wäre das FSC-Label wohl nicht mehr so gefragt. Vereinzelte, zum Teil grosse Schweizer Firmen, verzichten heute schon auf die FSC-Zertifizierung und verlangen «nur» noch den Einsatz von FSC-zertifiziertem Material. Dies durchgängig weitergedacht, würde für die FSC-Organisation zum Verlust namhafter Kunden führen und es würde mutmasslich zu einem Umdenken führen.»
Stein des Anstosses sind die so genannten «Kernarbeitsnormen», die in der neuesten Version V3-1 des FSC-Produktkettenstandards FSC-STD-40-004 seit September 2021 weltweit gültig sind. Dieser Standard verlangt von FSC-CoC-Zertifikatsinhabern und Bewerbern um ein solches Zertifikat, nachzuweisen, dass ihr Unternehmen die FSC-Kernarbeitsnormen einhält. Diese FSC-Kernarbeitsnormen orientieren sich eng an den Grundprinzipien der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO), einer Sonderorganisation der Vereinten Nationen. Sie legen fest, dass Unternehmen im Sinne der Abschaffung von Kinderarbeit, Zwangs- oder Pflichtarbeit und Diskriminierung im Beschäftigungsverhältnis handeln und die Vereinigungsfreiheit sowie die Anerkennung des Rechts auf Kollektivverhandlungen anerkennen müssen.
Dabei handelt es sich um Grundprinzipien, die in der Schweiz und den Ländern Nord- und Mitteleuropas ohnehin selbstverständlich sind und durch geltende gesetzliche Regelungen bezüglich Management, Arbeitssicherheit und Nachhaltigkeit vorgeschrieben sind und von staatlichen Stellen auch durchgesetzt werden. Im Rahmen seines Zertifizierungsprozesses fordert der FSC aber den separaten Nachweis der Einhaltung dieser sozialen Standards in Form eines Drei-Schritte-Prozesses: Die Unternehmen müssen eine Grundsatzerklärung zu den FSC-Kernarbeitsnormen verfassen und diese öffentlich bekannt geben. Zudem müssen sie eine Selbstbeurteilung durchführen, in der sie beschreiben, wie sie die FSC-Kernarbeitsnormen in ihrem Betrieb anwenden. Und zuletzt überprüft die FSC-Zertifizierungsstelle die Grundsatzerklärung, die Selbstbeurteilung und ob entsprechende Belege und Nachweise vorliegen.
Zweifellos handelt es sich dabei um ein riesiges Bürokratiemonster und noch dazu vollkommen überflüssig: «Der FSC hat sein eigentliches Ziel bezüglich der Holzquellen erreicht und könnte sich jetzt wieder etwas zurücknehmen, aber das Gegenteil geschieht. FSC ist zu einem Moloch geworden. Die Organisation muss immer wieder neue Schikanen erfinden, um ihre Existenzberechtigung und vor allen die massiv gestiegenen Zertifizierungspreise zu untermauern», war aus der Branche zu hören. «Zusammengerechnet beträgt der Arbeitsaufwand nur für FSC mittlerweile rund hundert Arbeitsstunden, eine hochgradige Zeitverschwendung. Allein die Selbstbeurteilung erfordert drei Tage und fragt nach winzigsten Details wie beispielsweise Suva-Nummern. Zudem zieht FSC unseren Gesamtumsatz für die Berechnung des Mitgliedsbeitrages heran, statt nur den Umsatz mit FSC-Produkten – das ist eine Frechheit». «Sämtliche Kernarbeitsnormen sind ohnehin in unseren Betriebsordnungen verankert, aber das wird von FSC nicht akzeptiert. Die jüngste Rezertifizierung war eigentlich eine nicht tolerierbare Grenzüberschreitung seitens des Zertifizierers. Wir wurden bevormundet und es wurde im Unternehmen herumgeschnüffelt wie man es wahrscheinlich eher in China erwartet als bei uns in der Schweiz. Noch dazu wird praktisch ein Tarifvertrag gefordert, was den FSC nur wirklich nichts angeht», waren die Kommentare.
Kritik kommt nicht nur aus der Schweiz, sondern ist vor allem auch aus Skandinavien zu vernehmen. «Es gibt Alternativen zu FSC, die wir derzeit auch eruieren, beispielsweise das PEFC-Label», sagte einer der Schweizer Interviewpartner. PEFC («Programme for the Endorsement of Forest Certification Schemes») ist ein Programm für die Anerkennung von Forstzertifizierungssystemen. Es prüft in Ländern bestehende Zertifikate auf Nachhaltigkeit und koppelt seinen Namen an diese Gütesiegel, wenn die Unternehmen die Anforderungen erfüllen. PEFC folgt also keinem selbst festgelegten Standard und damit wären die Unternehmen nicht mehr der Willkür von FSC ausgesetzt. «Im Grunde reicht ein Standard, der die durchgängige Nachhaltigkeit in der Produktionskette bestätigt. Alles andere ist Überreglementierung», sagt Andreas Zopfi. Geschäftsführer des SVI.
Schweizerisches Verpackungsinstitut SVI